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Presse &… Presse 27.11.2023…

Gewaltambulanz bietet Opfern von Vergewaltigung rund um die Uhr kostenlos Hilfe

Aktuelles und Pressemitteilungen | 27.11.2023

Das Team der Gynäkologie und Geburtshilfe zeigt die schreckenden Zahlen und die Zunahme an häuslicher und sexueller Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen.

Niemand möchte gerne darüber reden oder sich vorstellen, dass er oder sie eines Tages Opfer einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs werden könnte. Doch die Realität zeigt, kein Geschlecht, kein Alter, keine soziale Schicht, keine Berufsgruppe und keine Kultur schützt vor einer Tat. Auch die Täter stammen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, leider sogar oftmals aus der vertrauten Umgebung. Doch was tun, wenn der tragische Fall eintritt? Der Kreis Bergstraße, das Kreiskrankenhaus Bergstraße und die Gewaltambulanz Heidelberg bieten mit dem Projekt „Schnelle Hilfe nach Vergewaltigung“ eine Anlaufstelle für Betroffene.

Etwa ein bis zweimal im Monat wird das Angebot am Kreiskrankenhaus in Heppenheim (KKH) genutzt, erklärt Dr. Cordula Müller, Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe. „Das Alter unserer Patientinnen ist sehr unterschiedlich. Wir sehen Frauen jeden Alters bei uns in der Ambulanz  –  von jüngeren Teenagerinnen bis über 40-Jährige.“ Vor fünf Jahren wurde das Programm in seiner heutigen Form eingeführt. Die Betroffenen werden während der Untersuchung über die einzelnen Schritte aufgeklärt. Alles was geschieht, bedarf der Zustimmung. Der Großteil komme unmittelbar in den ersten 24 Stunden nach der Tat ins KKH. Schnell zu handeln, ist wichtig, auch wenn Betroffene dafür wohl viel Kraft aufbringen müssen. „Sollten zum Beispiel KO-Tropfen verabreicht worden sein, können diese nur 12 Stunden im Urin und sechs Stunden im Blut nachgewiesen werden“, erklärt Müller. Wichtig sei es, dass sich die Betroffenen nicht vorher waschen oder duschen und auch die Kleidung, die sie bei der Tat an hatten, mitbringen. Für die Mitarbeiter des Krankenhauses gilt Schweigepflicht, zur Anzeige kommt es nur, wenn dies ausdrücklich gewünscht wird.

 

„Die Beweiskraft der meisten Spuren lässt 24 Stunden nach der Tat nach, zum Beispiel weil man geduscht hat oder Hämatome verblassen“, so die Medizinerin. Im Krankenhaus können die Spuren zunächst gesichert werden, durch die Spurensicherung zusammen mit den Rechtsmedizinern der Gewaltambulanz Heidelberg wird eine „juristisch einwandfreie Beweismittelsicherung“ garantiert, bei der Beweise bis zu einem Jahr aufgehoben werden können. „Auch wenn die Frau nicht sofort Anzeige erstattet, hat sie damit die Möglichkeit, dies auch noch zu einem späteren Zeitpunkt zu tun“, betont Müller. „So muss sie diesen Schritt nicht gleich gehen, sondern kann sich zunächst auch bei den vielen Hilfsangeboten im Kreis oder am Hilfetelefon beraten lassen.“

Doch nicht nur, wer Anzeige erstatten möchte, sollte das Angebot wahrnehmen. Im Krankenhaus kann auch einer ungewollten Schwangerschaft vorgebeugt werden. So wirke die „Pille danach“ in etwa noch bis fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr, sie sei jedoch nach Ablauf der 24-Stunden-Frist nicht mehr ganz so zuverlässig. Auch bezüglich Geschlechtskrankheiten wie etwa HIV kann das Krankenhauspersonal helfen und durch vorbeugende Maßnahmen vielleicht einen Ausbruch verhindern. Auch offensichtliche Verletzungen kann das Personal der Gynäkologie versorgen. Wer sich für eine Untersuchung an den eigenen Frauenarzt wenden möchte, kann dies selbstverständlich auch während der Öffnungszeiten tun. Dort ist eine Spurensicherung wie im Krankenhaus jedoch nicht möglich.

 

Die Mitarbeiter des KKH werden für die gesamte Betreuung von Gewaltopfern geschult. Eine „Prozessrichtlinie“ beschreibt die einzelnen Schritte von der Ankunft bis zur Beweissicherung. Spezielle Schulungen für die Behandlung von Gewaltopfern gibt es außerdem. „ Dies ist wichtig, um einen sensiblen Umgang mit den Opfern zu erlernen und auch für sich selbst einen guten Weg zu finden, um mit den Erlebnissen und individuellen Schicksalen der Menschen umgehen zu können“, so die Chefin der Gynäkologie.

 

Leider ist die Hürde, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, für Opfer häufig sehr hoch. „Oft kennen die Opfer die Täter gut, da sie aus deren sozialen Umfeld stammen. Die Angst vor Konsequenzen im eigenen Umfeld, vor Victim blaming, vor einer körperlichen Untersuchung oder dem Nacherzählen des Tathergangs ist daher sehr groß“, berichtet Müller. „Letzteres vermeiden wir so gut es geht, um die Frau nicht ständig zu retraumatisieren und erfragen den Tathergang nur soweit, wie es für die Spurensicherung notwendig ist.“ Das ist beispielsweise nötig, um zu wissen, wo am Körper Spuren gesichert werden müssen. Einfacher sei es häufig, wenn sich die Opfer einer Person bereits anvertraut hätten und diese dann zur Unterstützung mitkommt.

Rund um die Uhr und an jedem Tag im Jahr bietet die Gynäkologische Ambulanz des Kreiskrankenhauses in Heppenheim (Viernheimer Straße 2) ihre Hilfe und die Versorgung von betroffenen Personen an. Telefonisch ist das Personal unter 06252 / 7010 erreichbar. Eine telefonische Anmeldung ist nicht nötig, die Versorgung ist kostenlos. 

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Das Interview erschien als Artikel im Starkenburger Echo, am 15.11.2023 von Bianca Pitz